Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Herbstspaziergang zu den Selkefällen
24.10.2024
Hätte mir jemand vor reichlich zehn Jahren prophezeit, dass es mich drängen wird, in den Bergen wandern zu gehen,
den hätte ich zum Wunderheiler geschickt. Doch genau so ist es geschehen, denn die Landschaft im Harz fasziniert
mich, seit ich hier gelandet bin. Es war ein schleichender Prozess, ein Herantasten an jede neue Geschichte, die es zu
entdecken galt. Beim Wandern in der Abgeschiedenheit der Berge kann ich mich von den Zwängen des angeblich so
modernen Lebens befreien, kann ich sein, wie ich mich fühle. Das ist für mich Freiheit und nicht das, was andere von
mir erwarten. Was sich im „normalen“ Leben längst abgenutzt hat, ist auf den Pfaden der Natur Alltag: Freundlichkeit zu
jedermann ohne Erwartungen! Das genieße ich.
Dieser Morgen ist grau plus ungemütlich. Dichte Nebelschwaden schleichen durch die Straßen. Ein Herbsttag von vielen
erwacht gerade. Mein erster Gedanke, die Selkefälle nahe Mägdesprung zu besuchen, verschlingt der Nebel. Drei
Stunden später erinnert mich ein zweiter Gedanke wieder an das Vorhaben. Diesmal stehen die Zeichen gut. Zur
Mittagsstunde tauchen wir hinter Gernrode in einen herbstlich goldenen Wald ein, wenig später fahren wir gleich hinter
dem „Stahlhammer“ auf den Parkplatz Drahtzug, einer ehemals vorhandenen Drahtmühle. Ein zauberhafter Naturfleck
direkt an der Selke. Doch ehe mich mich daran erfreuen kann, fährt laut schnaufend ein Zug der Selkebahn direkt am
Hang zu unserer Begrüßung vorüber. Genau dahin müssen wir auch. Als die wenigen Schritten geschafft sind, stehe ich
dem Eingang zu einem „Felsenhaus“ gegenüber, der auch Eingang zu einer Höhle ins Innere des Berges sein könnte.
Wer weiß das schon ...
Wir überqueren die Schienen und haben jetzt einen schmalen Hangwanderweg vor uns. Der führt oberhalb der Gleise
bis zur nächsten Überquerung derselben. Von da an gehen wir gemächlich immer dem Lauf des Wassers in der Selke
entgegen. Es ist nach drei Tagen – Schornsteinberg (
HIER
) und Präsidentenweg (
HIER
) - das nächste Eintauchen in
die herbstlich gefärbten Wälder. Nicht überall dringen die Sonnenstrahlen bis zur Talsohle, wo das Flüsschen plätschert.
Wo sie es aber schaffen, tauchen sie das Laub in alle Farbvarianten von golden bis rötlich leuchtend. Das Wasser glitzert
silbern unterm azurblauen Himmel über den Baumkronen. Das Tal der Selke verwandelt sich vor meinen Augen in eine
abgeschiedene mystische Welt zwischen den Bergen, wenn die Geräusche des Straßenverkehrs mich nicht an die
Realität erinnern würden.
Schon bald schlängelt sich die Selke im weiten Bogen durch das Tal. Man hört das Rauschen des Wassers, das hier über
eine steinerne Barriere plätschert: die Selke-Fälle. Die wollte ich unbedingt einmal sehen und nun stehe ich direkt davor.
Was für eine Anblick! Zwar hatte ich mir das Naturereignis größer vorgestellt, die Faszination ist dennoch zu spüren,
zumal dieser Flecken im Herbst magisch wirkt. Ich lasse mir Zeit, um den Ort aus unterschiedlichen Perspektiven zu
beobachten und entdecke dabei viele zauberhafte Details. Mitten aus dem Flüsschen ragt zum Beispiel ein gestapelter
Steinturm aus dem Wasser. An anderer Stelle fällt mir ein Fliegenpilz über den Kaskaden auf und die Lichtspiele tragen
ein übriges zum Zauber der Selkefälle bei. Erst jetzt wundere ich mich, dass ich diesen magischen Ort erst heute für
mich entdecke. Spät, aber nicht zu spät.
Wir verweilen noch ein wenig, setzen dann aber unseren Spaziergang noch ein Stück fort. Irgendwann ist der Zeitpunkt
zur Umkehr gekommen. Auf dem Weg zurück versuche ich, am Hang direkt gegenüber einige markante Stellen zu
entdecken, die man oberhalb des Tales beim Wandern auf dem Pionierweg – der heißt wirklich so - besuchen sollte.
Keine Chance, nicht mal die Köthener Hütte kann ich finden. Die Bäume sind dicht an dicht gewachsen. Sie bewahren
die Geheimnisse, die wandernd erforscht werden wollen. Das werde ich bei nächster Gelegenheit nachholen. Heute
bleibt mir nur der Blick nach oben, wo Schwäne mit lautem Geschnatter „Nach Süden“ ziehen. Im Harz gibt es so viele
faszinierendes Naturschauspiele, die man überall zwischen Berg und Tal entdecken kann. Eines habe ich heute
bewundert, andere gilt es noch zu finden. Aber das wird noch! Im Landkreis Elbe-Elster wäre mir das alles nicht
passiert. Vieles, was mich hier begeistert, wäre meinen Augen für immer verborgen geblieben: „Wenn die Neugier nicht
wär’ …“!